Christian Stöhr zur Entstehung von Pictures:
Daniela und ich hatten schon vor einiger Zeit einen Prototyp „Pictures“ entwickelt. Damals ging das Spiel allerdings noch ganz anders. Man mußte sich mit Hilfe von kleinen Geschichten die Zuordnung zwischen Fotos und Symbolen merken. Damals haben wir versucht diese Version von Pictures bei einem Verlag unterzubringen. Aber die Antwort dieses Verlages lautete, dass sie ein ähnliches Spiel bereits im Programm hätten. Daraufhin beschloss ich, mich besser über existierende Spiele zu informieren und begann Spiele-Podcasts zu hören. So landete unser erster Prototyp von Pictures zunächst in einer Schublade.
Im Jahre 2018 lief der Hamburger Spieleerfinder Wettbewerb mit dem Thema „asymmetrische Spiele“. Diesen Wettbewerb hatte ich im Hinterkopf, als unser kleiner Sohn eines Tages ein Steck-Spiel geschenkt bekam, bei dem man mit farbigen Kreisen Bilder nachsteckt. Da hat es bei mir Klick gemacht: Mit Symbolkarten kann man auf Bilder hindeuten, mit farbigen Pixeln auch. Und da gibt es doch diesen Wettbewerb. Wie wäre es, wenn Spieler mit asymmetrischen Hilfsmitteln Fotos nachbauen würden? Ich habe dann mal 4 Fotos ausgelegt und eins der Fotos mit farbigen Klötzchen nachgebaut. (Damals war es noch nicht auf 3×3 beschränkt.) Meine Frau hat das Foto richtig erraten.
Jawoll, es funktioniert!
Daniela war von der Idee begeistert und steuerte noch die Bauklötze, Stöcke und Steine und Schnürsenkel hinzu. Ich tippte die Anleitung und reichte sie beim Wettbewerb ein. Der Einsendeschluss war schon relativ bald, so dass wir unsere Spielidee nicht mehr mit Testspielern testen konnten. Es sei angemerkt, dass die Spielregeln damals noch etwas anders waren. Bei uns gab es eine Auslage von 4 Fotos. Da wir ziemlich schnell gemerkt hatten, dass es sehr leicht war, die Bilder zu erraten, kamen wir auf die Idee, die Fotos nach einer gewissen Zeit zu verdecken, damit man aus der Erinnerung heraus raten musste, welches Foto gemeint war. Und achja, es konnte immer nur ein Spieler bauen und alle anderen durften raten. Am 8. Oktober 2018 bekamen wir die Mail, dass es unsere Spielidee „Pictures“ in die zweite Runde geschafft hatte und wir schnellstmöglichst einen Prototypen einschicken sollten.
Aber ein paar mal testen wollten wir das Spiel vorher noch. Also nahm ich das Spiel einmal mit zur Arbeit um es in der Mittagspause mit meinen Kollegen zu spielen. Es kam zum Glück sehr gut an und hat auch einem Kollegen Spaß gemacht, der ansonsten eher so was wie Gloomhaven und Terraforming Mars spielt. Dann war unser Hauskreis die nächste (und letzte) Gelegenheit zu testen. Wir waren nur zu dritt, so dass es ein kurzer Abend zu werden drohte. Eine ideale Gelegenheit im Anschluss noch mal Pictures zu testen. David erklärte sich auch sofort bereit, Gregor lehnte aber ab. Er spiele nicht. Ich fragte ihn noch einmal, ob er wirklich nicht mitspielen wolle. Nein. Nagut, dann spiele ich eben mit David zu zweit. Aber Zuschauen alleine reicht bei Pictures nicht und ehe man sich versah, war Gregor mit Feuereifer dabei. Er brachte Ideen ein wie „das hätte ich aber so gebaut“ und „das hier soll das darstellen“. Und weil Gregor, der eigentlich gar nicht so gerne Spiele spielt, so viel Freude an unserem Spiel hatte, war dies für uns ein Zeichen, dass Spiel wirklich abzuschicken. Am 04.12.2018 kam die Mail, dass Pictures zu den drei nominierten Prototypen des Spieleerfinder-Wettbewerbs gehört und am 19.01.2019 die Preisverleihung in Hamburg stattfinden sollte. Wir freuten uns sehr, wussten aber im nächsten Moment nicht, ob wir wirklich alle zusammen nach Hamburg reisen wollten (mit einem Kleinkind). Nach einigem Hin- und Herüberlegen kamen wir zu dem Entschluss, dass eine Preisverleihung ohne die Autoren doch recht traurig sei und ich zumindest alleine hinfahren sollte. Außerdem stand in der Einladungsmail „Es wäre grandios dich dabei zu haben.“ Vielleicht hatten wir ja wirklich eine Chance zu gewinnen? Meine Frau sagte, ich solle mir sicherheitshalber eine kleine Rede überlegen, die ich im Fall der Fälle halten könnte. Aber so ganz glaubte ich nicht daran. Immerhin war einer der anderen Nominierten ein Allround-Künstler, der auch schon seine eigene Ausstellung hatte. Und der andere Nominierte hatte schon etliche Veröffentlichungen in seiner Ludographie stehen. Gegenüber diesen beiden anderen Nominierten waren Daniela und ich nur ein ganz kleines Licht.
Dann kam der Tag der Preisverleihung. Nach einer langen Bahnfahrt und einem leeren Handyakku kam ich in Hamburg an. Völlig erschöpft und mit ziemlich starkem Husten war die Preisverleihung nicht gerade ein Genus für mich aber „the winner is – Pictures“. Damit hatte ich nicht gerechnet. Also höchstens zu 33 %. Super. Klasse. Unfaßbar. Schnell mal mit Daniela telefonieren und ihr die Neuigkeiten erzählen. Nach einigem Smalltalk traute ich mich irgendwann eine wichtige Frage auszusprechen. Denn immerhin stand in der Wettbewerbsausschreibung „Das Gewinnerspiel hat gute Chancen veröffentlicht zu werden.“ Also fragte ich den Redakteur des Verlags, der in dem Jahr Pate des Wettbewerbs war, ob sie sich schon Gedanken darüber gemacht hätten unser Spiel zu veröffentlichen? Leider bekam ich eine Absage. Naja, ein bißchen traurig war ich dann schon. Eigentlich war es so wie immer. Wir hatten ein tolles Spiel erfunden, das den Testspielern sehr viel Spaß gemacht hatte aber kein Verlag wollte es veröffentlichen.
Zu unserem großen Glück war auf der Preisverleihung auch die Claudia vom PD-Verlag, Sie war sehr von unserem Spiel angetan. Ich dachte noch „PD-Verlag“? Da muß ich mich wohl verhört haben. Die machen doch nur Strategiespiele. Aber wir blieben in Kontakt und ein paar Wochen später wurde ich gefragt, ob wir den Prototyp Pictures an den PD-Verlag schicken wollten. Dann folgten ein paar Monate, in denen der Verlag das Spiel testete und ein bißchen experimentierte. Zwei Sachen waren klar: Es wäre schön, wenn jeder Spieler mal mit jedem Material spielen dürfte. Und kooperativ sollte es werden, weil die Punktevergabe noch nicht so gut ist. Im April 2019 fragte Claudia mich dann, ob sie und Peter uns mal besuchen könnten, es gäbe da ein paar Dinge zu besprechen und sie seien eh gerade auf der Durchreise und könnten einen kleinen Abstecher ins Remstal machen. Am Tag des Treffens erzählten sie erst ausführlich von Problemen, die Pictures noch hat aber auch von Ideen, wie sie unser Spiel gerne verbessern würden. Und nach gefühlt mehreren Stunden kam dann, wie nebenbei die Aussage „ach übrigens, wir wollen Pictures gerne machen“. Juhu! Und man muss sagen, dass der Verlag bis zu diesem Zeitpunkt das Spiel schon sehr gut weiterentwickelt hatte. So kamen sie zum Beispiel auf die Idee 16 Fotos statt nur 4 Fotos auszulegen. Dadurch wurde es um einiges schwieriger das richtige Foto ausfindig zu machen und man konnte sich das Verdecken der Fotos sparen. Ein weiterer Vorteil war, dass nun alle Spieler gleichzeitig bauen konnten. Und man kehrte zum ursprünglichen System zurück, dass es nicht kooperativ sein soll. Beim Spiele-Event in Herne wurde dann noch am letzten Feinschliff gearbeitet. Die farbigen Klötzchen wurden in ihre 3×3 Form gebracht und die Regeln zu den Symbolkarten festgelegt.
Als die „Spiel 2019“ immer näher rückte, wurden meine Frau und ich ziemlich nervös, da immer noch nicht alle Druckvorlagen zur Produktion übergeben worden waren. Ein bisschen hatten wir die Befürchtung, dass wir bei der Messe nur unseren Protyp vorzeigen könnten. Aber Pictures wurde auf den Tag pünktlich direkt nach Essen geliefert.
Und ab da kennt ihr ja die Geschichte…